Kunstmuseum Liechtenstein zeigt Barry Le Va
Er gilt als Erneuerer der Skulptur in der Kunst nach 1960.
Barry Le Va im Kunstmuseum Liechtenstein
Das Kunstmuseum Liechtenstein zeigt ab morgen die erste Retrospektive nach dem Tod des US-amerikanischen Künstlers, dessen multidisziplinäres Werk der Prozesskunst beziehungsweise dem Postminimalismus zugerechnet wird. Wie der Titel In a State of Flux bereits andeutet, erweiterte Barry Le Va den Skulpturbegriff, indem er die Geschlossenheit der Form aufbrach und das Prinzip der Veränderung und Instabilität in sein Werk integrierte. Die Ausstellung gibt einen Überblick über sein Schaffen von den 1960er-Jahren bis zu den letzten Werkgruppen und folgt dabei einem roten Faden: der Beziehung zwischen Zeichnung und Skulptur. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Frühwerk des Künstlers.
Präzision und Improvisation
Barry Le Vas Installationen sind mit Bedacht und nach genauer Planung ausgeführt, lassen aber zugleich den Zufall und die Improvisation zu werkbestimmenden Elementen werden. Er untersucht Handlungen sowie deren Ursache und Wirkung auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen, sei es physisch, mental oder visuell. Oft benutzt er Materialien wie Filz, Glas oder Kreide für seine raumgreifenden Werke. Dabei dient dem Künstler der Boden zeitlebens als "Grund" und Experimentierfeld. Bereits 1966 entstehen in Los Angeles die ersten auf dem Boden verstreuten Distribution Pieces, mit denen er im November 1968 durch eine Titelgeschichte in der Zeitschrift Artforum schlagartig einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird.
"Drawing allows me to think"
Die Zeichnung ist ein wesentlicher Bestandteil von Le Vas Oeuvre. Einerseits sieht er sie als Teil seines Denkprozesses, andererseits versteht er sie als Diagramme, die ähnlich wie Partituren oder Kompositionen funktionieren". In diesem Sinne bereiten sie oft das skulpturale Werk vor, sie können als Plan-Ansichten dienen, wobei sie gleichzeitig die Interpretation und Improvisation vor Ort zulassen.
Tatort Kunst: Barry Le Vas Werken auf der Spur
Die Beziehung zwischen Kunstwerk und Publikum ist für Barry Le Va von Anfang an von grosser Relevanz. Wie Tatorte fordern seine Installationen die Betrachter:innen heraus, nach Hinweisen zu suchen, um die Abfolge von Handlungen, die zu ihnen geführt hat, bzw. das ihnen zugrundeliegende Konzept zu rekonstruieren. Dieser Herangehensweise liegt Le Vas Begeisterung für das Genre des Krimis zugrunde: "Ich war fasziniert von der Idee der visuellen Indizien, von der Art und Weise, wie Sherlock Holmes es schaffte, eine Handlung aus obskuren visuellen Indizien zu rekonstruieren."
Le Vas Werk ist enigmatisch und hochkomplex. Die erste Präsentation ohne die Anwesenheit des Künstlers ist eine Herausforderung und bringt viele Fragen zur Ausführung und Installation mit sich. Kuratorin Christiane Meyer-Stoll hat für die Ausstellung intensive Recherchen in verschiedenen Archiven durchgeführt, sie erläutert: "Wir präsentieren das Werk des dreifachen documenta-Teilnehmers Barry Le Va mit vielen Entdeckungen. Zugleich zeigt die Ausstellung erstmals exemplarisch, wie man posthum mit den Arbeiten eines Künstlers umgeht, der den Prozess sowie eine eigene Form der Improvisation kultiviert hat."
Das Kunstmuseum Liechtenstein verfügt gemeinsam mit dem Kunstmuseum St. Gallen und dem Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main über frühe Schlüsselwerke von Barry Le Va aus der Sammlung Rolf Ricke. Der deutsche Galerist, der 2024 seinen 90. Geburtstag feiert, gehört zu den Pionieren in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst aus den USA und stellte den Künstler 1970 erstmals in Europa aus.
Barry Le Va wurde 1941 in Long Beach, Kalifornien, geboren und studierte zunächst Architektur und Mathematik, bevor er sich der Kunst zuwandte. Seine über 50-jährige umfangreiche Ausstellungskarriere begann nach ersten frühen Ausstellungen 1969 mit einer Einzelausstellung im Walker Art Center in Minneapolis und endete mit einer Langzeit-Installation (2019-2021) im Dia: Beacon, New York, wo er Installationen aus den 1960er-Jahren reinszenierte. Er war unter anderem Teilnehmer an den documenta-Ausstellungen 5, 6 und 7 (1972, 1977 und 1982).
Eine Produktion des Kunstmuseum Liechtenstein, kuratiert von Christiane Meyer-Stoll.
Die Ausstellung wird von einer dreibändigen Publikation begleitet, in der besonders der Künstler selbst durch seine "Notes" (Statements) und durch die Wieder- und Erstveröffentlichung von Interviews zu Wort kommt.
Die Ausstellung wird nachfolgend bei Fruitmarket, Edinburgh (26. Oktober 2024 - 2. Februar 2025) und im Museum Kurhaus Kleve (Frühjahr 2025) zu sehen sein.
Barry Le Va. In a State of Flux 26. April - 29. September 2024
ERÖFFNUNG Donnerstag, 25. April 2024, 18 Uhr