Politischer Umbruch in Paris, © Keystone / EPA / Valentina Camu
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Politischer Umbruch in Paris

Nach der Niederlage des Mitte-Lagers von Präsident Emmanuel Macron bei der Parlamentswahl in Frankreich bleibt die bisherige Regierung um Premierminister Gabriel Attal vorläufig im Amt.

08.07.2024

Zwar reichte Attal wie gestern Abend angekündigt seinen Rücktritt bei Macron ein. Um die Stabilität des Landes zu gewährleisten, bat der Staatschef Attal aber, mit seiner Regierung vorerst im Amt zu bleiben, wie der Élyséepalast in Paris mitteilte.

Das neue Linksbündnis in Frankreich will sich nach seinem überraschenden Sieg bei der vorgezogenen Wahl möglichst schnell auf einen Kandidaten für Attals Nachfolge verständigen. Das kündigten führende Politiker des Zusammenschlusses aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Linkspartei in Paris an. Das Lager war ohne Spitzenkandidaten in die vorgezogene Wahl gegangen und einen Favoriten für das Amt des Premierministers gibt es noch nicht.

Macron kann Premier auswählen

Präsident Macron steht zwar politisch in der Pflicht, einen Premierminister aus dem grössten Lager zu ernennen, das sich zum Regieren bereit sieht. Dem Vorschlag dieses Lagers muss er aber nicht in jedem Fall folgen und kann auch einen anderen Vertreter aus dem Lager auswählen.

Das neue Linksbündnis hat die von Macron überraschend angesetzte Wahl nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewonnen. Es folgt Macrons Mitte-Lager auf dem zweiten Platz. Auf Rang drei liegt das nach der ersten Wahlrunde zunächst als Favorit gesehene Rassemblement National von Marine Le Pen. Das teilte das Innenministerium in Paris mit, ohne für alle gewählten Abgeordneten eine Zuordnung zu einem der grossen Lager vorzunehmen.

Linksbündnis klarer Sieger

Zur Bildung der Fraktionen haben die Parlamentarier bis zum 18. Juli Zeit. Nach Zählung der Zeitung "Le Monde" kommt das Linksbündnis Nouveau Front Populaire auf 182 Sitze, das Präsidentenlager auf 168 Sitze, das Rassemblement National (RN) und Verbündete auf 143 Sitze und der gemässigte Teil der Républicains, die sich gegen eine Kooperation mit dem RN entschieden, auf 45 Sitze.

Da weder das Linksbündnis noch das Präsidentenlager nach dem Wahlausgang über eine absolute Mehrheit verfügt, werden viele Bemühungen der beiden Blöcke und auch von Präsident Emmanuel Macron nun darauf gerichtet sein, mögliche Allianzen abzuklopfen und einzelne Parlamentarier anderer Gruppen für das eigene Lager zu gewinnen. Kein Lager hat im Moment aber Aussicht, auf diesem Wege eine absolute Mehrheit zu schaffen.

Das Linksbündnis will möglichst noch in dieser Woche mitteilen, wer aus seiner Sicht Premier werden soll. "Wir müssen innerhalb einer Woche in der Lage sein, eine Kandidatur" für das Amt des Premierministers zu präsentieren, sagte Sozialistenchef Olivier Faure dem Sender Franceinfo. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass das Linksbündnis nicht in der Lage sei, zu regieren. Über einen Kandidaten für das Amt des Premiers müsse in dieser Woche entschieden werden, entweder im Konsens oder über eine Abstimmung unter den zum Linksbündnis gehörenden Parteien.

Linkspartei sieht Mélenchon noch im Rennen

Auch die bisherige Fraktionschefin von Frankreichs Linkspartei, Mathilde Panot, sagte dem Sender RTL, das Linksbündnis werde in dieser Woche einen Premierminister und eine Regierung präsentieren. Der wegen seines polemischen Auftretens umstrittene Gründer der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, ist aus Panots Sicht dabei weiterhin im Rennen. Mélenchon habe der Linken erst wieder das Siegen beigebracht und habe die Formierung eines Linksbündnisses vor der Parlamentswahl 2022 und auch jetzt erst möglich gemacht.

Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier plädierte im Interview des Sender France Inter für einen Konsens, was die Frage des Premiers angeht, statt eines Kräftemessens zwischen den verschiedenen Parteien. Wichtiger noch als die Frage, wer die Regierung leiten solle, sei die Frage, welche Politik ein künftiger Premierminister umsetzen wolle.

Grosse Koalition oder Minderheitsregierung?

Frankreichs gespaltene Linke hatte sich erst vor wenigen Wochen für die Wahl zum Nouveau Front Populaire zusammengeschlossen. Bei der Europawahl Anfang Juni waren die Parteien noch einzeln angetreten. Streit gibt es innerhalb der Linken vor allem über die altlinke Führungsikone Mélenchon. Der Populist, der mit euroskeptischen Aussagen auffällt und einen klar propalästinensischen Kurs fährt, wird selbst in seiner Partei heftig kritisiert. Eine klare Führung hat das Bündnis aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen nicht. Auch ein gemeinsames Programm gibt es nicht.

Wie es weitergeht, ist vorerst unklar. Ob die Linken alleine eine Minderheitsregierung auf die Beine stellen können, ist ungewiss. Die anderen Fraktionen könnten eine solche Regierung per Misstrauensvotum stürzen. Die Linken könnten auch versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte.

Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung übergangsweise die Amtsgeschäfte führen oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und eine Neuwahl wären erst im Juli 2025 wieder möglich.