Rechtsprechung zu IV-Leistungen bei Übergewicht, © Depositfotos / Symbolbild / Hyrons
 Depositfotos / Symbolbild / Hyrons
  • Schweiz

Rechtsprechung zu IV-Leistungen bei Übergewicht

Die Behandelbarkeit von starkem Übergewicht steht einem Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung nicht mehr von vornherein entgegen. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Es passt damit seine Rechtsprechung zum Anspruch auf IV-Leistungen bei Adipositas an. Allerdings müssen Betroffene zumutbare Behandlungen vornehmen.

21.11.2024

Im konkreten Fall beantragte eine Frau mit einem Bodymassindex von 58 erfolglos eine Invaliden-Rente (IV). Bei einem normalen Gewicht liegt der Bodymassindex gemäss der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz zwischen 18,5-24,9. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Frau in einem heute

Es hält fest, dass es die Beschwerdeführerin auf jeden Fall nicht in der Hand habe, per sofort eine 100-prozentige Arbeitsfähigkeit herzustellen. Die IV-Stelle wird deshalb neu entscheiden müssen. Dabei werden mit Blick auf die Schadenminderungspflicht auch medizinische Abklärungen zu treffen sein, schreibt das Bundesgericht.

Wille zur Überwindung

Gemäss der bisherigen Rechtsprechung des höchsten Schweizer Gerichts bewirkte eine Adipositas grundsätzlich keine Invalidität, die zu einer Rentenleistung berechtigte - beziehungsweise nur dann, wenn die Adipositas körperliche oder geistige Gesundheitsschäden verursachte oder die Folge von solchen Schäden bildete.

Diese Rechtsprechung ging davon aus, dass das starke Übergewicht willentlich überwindbar sei. Entwickelt hatte sich diese Rechtspraxis auf der Grundlage von derjenigen zu Suchterkrankungen.

Konkrete Beeinträchtigung

Das Bundesgericht passte seine diesbezügliche Rechtsprechung dann aber 2019 an. Dies geschah auch als Folge der Praxisänderung zu leichten oder mittelschweren Depressionen.

Künftig sollte in einem strukturierten Beweisverfahren ermittelt werden, inwiefern sich die Beeinträchtigung im Einzelfall auf die Arbeitsfähigkeit der versicherten Person auswirkt.

Das Bundesgericht sieht in seinem aktuellen Urteil keinen Grund, die bisherige Sonderrechtsprechung zu Adipositas aufrechtzuerhalten. Dabei berücksichtigt es, dass es sich bei der Adipositas um eine chronische, komplexe körperliche Krankheit handelt. Die Rechtsprechung sei deshalb dahingehend zu ändern, dass die grundsätzliche Behandelbarkeit einem Rentenanspruch nicht per se entgegen steht.

Im Einzelfall ist gemäss den Ausführungen danach zu fragen, wie sich die Krankheit in Bezug auf die Leistung limitierend auswirkt. Aber auch bei einer Adipositas bestehe die Pflicht zur Schadenminderung. Ein Anspruch auf eine IV-Rente setze in diesem Sinne voraus, dass die betroffene Person zumutbare diätische oder medikamentöse Therapien, Verhaltenstherapien oder Bewegungsprogramme unternehme.