Bündner Staatsanwaltschaft fordert zweieinhalb Jahre für Ex-Richter, © Symbolbild Piaxabay
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  • Graubünden

Bündner Staatsanwaltschaft fordert zweieinhalb Jahre für Ex-Richter

Die Staatsanwaltschaft Graubünden fordert für einen wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Bedrohung einer Praktikantin angeklagten früheren Richter zweieinhalb Jahre Gefängnis. Die Verteidigung beantragt Freispruch, sie zieht die Darstellung der Frau in Zweifel.

02.11.2024

Die Staatsanwaltschaft verlangte am Freitag vor dem Landgericht Plessur in Chur die Anerkennung aller Vorwürfe, nämlich Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Drohung und Ausnützung des Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber der jungen Frau. Für das Hauptdelikt, die mutmassliche Vergewaltigung von Mitte Dezember 2021, verlangte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren.

Eine teilweise Aussetzung der Strafe ist möglich. Dies bedeutet, dass der ehemalige Richter am kantonalen Verwaltungsgericht im Falle einer Verurteilung mindestens sechs Monate im Gefängnis verbringen müsste.

Aufgrund der Drohungen, die in einem Brief des Mannes an das mutmassliche Opfer und dessen Partner enthalten waren, forderte die Staatsanwaltschaft zudem eine Geldstrafe von 5400 Franken (60 Tagessätze à 90 Franken) und eine Busse.

Staatsanwaltschaft: Opfer glaubwürdig
In ihrer Anklageschrift betonte die Staatsanwaltschaft wiederholt, dass die Aussagen der 27-jährigen Frau glaubwürdig seien, weil sie sehr präzise seien und sich nicht widersprächen. Das Opfer habe detailliert beschrieben, wie es sich während der Vergewaltigung gefühlt habe, ebenso die Reaktionen ihres Körpers, die typisch für einen Schockzustand seien. Der Angeklagte hingegen habe keine detaillierten Aussagen gemacht.

Der Anwalt der jungen Frau forderte ausserdem Schadensersatz. Die Kosten beziehen sich auf die Arbeitsunfähigkeit und die Therapien zur Behandlung posttraumatischer Symptome. Er bat das Landgericht zudem, ein Berufsverbot für den ehemaligen Richter zu erwägen.

Verteidigung: Keine Anzeichen von Gewalt
Das Plädoyer der Verteidigung begann kurz vor 13 Uhr und dauerte den ganzen Nachmittag. Die Anwälte des Angeklagten beantragten einen Freispruch und bestritten die vom Opfer und von der Staatsanwaltschaft vorgetragenen Tatsachen. Sie teilten mit, dass eine Verleumdungsklage gegen die junge Frau eingereicht worden sei.

Die Verteidigung kritisierte zudem die Arbeit der Behörden. Die erste Vernehmung des Opfers sei nur transkribiert, statt aufgezeichnet worden. Erst dann, so die Anwälte des ehemaligen Richters, könnten die Aussagen ausgewertet werden.

Gemäss der Verteidigung war die Beziehung zwischen dem Richter und der Praktikantin einvernehmlich. Wäre sie gewalttätig gewesen, hätte sich das Opfer stärker wehren und das Büro fluchtartig verlassen müssen, lautete die Argumentation.

Medizinische Untersuchung und Chat
Die Verteidigung berief sich auch auf die medizinischen Untersuchungen, die an der jungen Frau am Abend des 13. Dezember 2021 im Fontana-Spital in Chur durchgeführt wurden. Laut dem Schreiben einer Gerichtsmedizinerin klagte die damalige Praktikantin nicht über Schmerzen, und an ihrem Körper fanden sich weder blaue Flecken noch Anzeichen von Schlägen.

Die Anwälte des Angeklagten beriefen sich zudem auf einen Chat zwischen dem Richter und der Praktikantin, der die Anschuldigungen der 27-Jährigen in Frage stelle.

Am Tag der mutmasslichen Gewalttat schrieben sich die beiden demnach einige Nachrichten auf Spanisch. Der Mann hatte ihr geschrieben, dass sie ihm nach dem Ende ihres Praktikums gefehlt habe, sie antwortete mit "Du auch". Aus Sicht der Verteidigung hätte eine Person, die sich sexuell und verbal belästigt fühlt, nicht auf diese Weise reagiert.

Das Urteil des Landgerichts Plessur wird in den nächsten Tagen erwartet.