Vorarlberg bräuchte einen Wirtschaftsaufschwung, © ORF Vorarlberg
ORF Vorarlberg-Chefredakteurin Angelika Simma-Wallinger im Interview mit Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). ORF Vorarlberg
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Vorarlberg bräuchte einen Wirtschaftsaufschwung

Im Jahresinterview mit ORF Vorarlberg-Chefredakteurin Angelika Simma-Wallinger spricht Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) über die wirtschaftliche Lage, politische Entwicklungen und gibt einen Ausblick auf die bevorstehenden Aufgaben im neuen Jahr.

02.01.2025

Insbesondere die Folgen der Covid-Pandemie und die hohen Kosten im Bereich Strom und Energie haben Wallner zufolge die Wirtschaft belastet. „Die schlechte Wirtschaftsentwicklung, die schlechten Daten für das kommende Jahr und das geringe Wachstum sind Dinge, die uns massiv beschäftigen müssen“, so Wallner.

Eine gute Wirtschaftsentwicklung im Lande sei die Basis, um hohe Standards in den Bereichen der Bildung, der Kinderbetreuung oder beim Spitalszugang gewährleisten zu können. Vorarlberg müsse insbesondere als Wirtschaftsland darauf achten, dass man im weltweiten Wettbewerb mithalten könne.

Dafür brauche es eine handlungsfähige Bundesregierung: „Im Land haben wir die Weichen meines Erachtens gut gestellt. Innerhalb von drei, vier Wochen wurde eine Regierung gebildet“, betont Wallner. In einem nächsten Schritt müsse man die Budgetsanierung angehen. Die Wirtschaft brauche auch weniger Bürokratie, ebenso sei eine Entlastung bei den Kosten gefragt – insbesondere für Strom und Energie. Um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, brauche es Arbeitskräfte auf allen Ebenen.

Aufnahme neuer Schulden unumgänglich

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat neue Schulden nicht mehr ausgeschlossen und Vorarlberg macht 2025 neue Schulden. Wallner verteidigt diesen Schritt und begründet ihn mit den Herausforderungen der vergangenen Jahre: „Wir hatten hohe Kosten in der Pandemie und mussten gewisse Dinge für die Bevölkerung abfangen“. Der Landeshauptmann nennt unter anderem den Familien- und Heizkostenzuschuss, aber auch die Wohnbeihilfe bei den Direkthilfen. Der Bund habe Wallner zufolge auf „Giesskannenförderung“ gesetzt. Davon müsse man zum Teil wieder abgehen.

Für eine Budgeterstellung sei die Situation derzeit schwierig. Einerseits habe man Krisenfolgen abzufangen, andererseits kämen ein Wirtschaftseinbruch und die Abschaffung der kalten Progression hinzu. Auf der Ausgaben- und Einnahmeseite sei es daher sowohl im Bund als auch im Land unmöglich, ausgeglichen zu budgetieren.

Suche nach der gemeinsamen Mitte der Gesellschaft

Im Superwahljahr 2024 musste die ÖVP grosse Verluste einstecken. Das schmerzt den Landeshauptmann: „Das tut natürlich auch weh, man überlegt auch intern, was man tun kann, um das wieder zu verbessern. Andererseits muss man auch wissen, dass die Vergleiche mit der Vergangenheit besonders schwierig sind, weil einfach völlig andere Ausgangslagen da sind“, betont er.

Einen Grund für die Veränderung der politischen Grosswetterlage sieht Wallner auch in einem Nachlassen der Solidarität. Die gemeinsame Mitte der Gesellschaft sei nicht immer leicht zu finden. „Als Volkspartei, aber auch als Landesregierung ist es eine wichtige Aufgabenstellung, darauf zu achten, dass man nicht irgendwo in die Ränder abdriftet, in die Extreme, sondern dass man ganz genau darauf achtet, wo ist die Mitte, wo sind die meisten Leute zu Hause“, so Wallner.

Arbeitsmarkt, Bürokratieabbau, Novelle im Energiebereich, Wohnen

Auf die Frage hin, welche konkreten Themen die Landesregierung im Jahr 2025 umsetzen möchte, sagt Wallner: „Wir werden das Jahr mit dem Thema Arbeitsmarkt beginnen. Das heißt, schon zu Beginn des Jahres gibt es ein Treffen mit dem Arbeitsmarktservice, da steht ein wichtiger Punkt im Regierungsprogramm, nämlich Qualifizierungsprogramme für jene aufzubauen, die dringend Arbeit suchen“. Die Rate an Arbeitslosen werde ansteigen, weshalb das Land über zwölf Millionen Euro bereitstellen wolle, um insbesondere Jugendliche zu unterstützen.

Danach sollen erste Weichenstellungen in Richtung Bürokratieabbau erfolgen. Als erstes werde es eine Novelle im Bereich Energie geben. Somit soll die Bevölkerung wesentlich leichter zu Genehmigungen für Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen kommen. Zudem würden Gesetze entbürokratisiert, um die Kraftwerksbauten schneller vorantreiben zu können. Auch im Bereich Wohnen müssten weitere Projekte auf den Boden gebracht werden.

Wahlverluste der ÖVP nicht auf Gemeindewahl umlegbar

Im März 2025 stehen Gemeindewahlen in Vorarlberg an. Den direkten Vergleich mit vorangegangenen Wahlen und Verlusten der ÖVP sieht Wallner nicht. Gemeindewahlen seien eine Persönlichkeitswahl: „Es sind gerade die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die ganz nah an der Bevölkerung arbeiten und wo die Persönlichkeit ganz stark im Vordergrund steht.“ In erster Linie müsse man die Bevölkerung informieren und überzeugen. Die ÖVP sei in allen Gemeinden und Städten gut aufgestellt.

Mut, Zuversicht und Gelassenheit

Für das neue Jahr brauche es vor allem Mut, Zuversicht und Gelassenheit. „Man merkt natürlich, dass es die Wirtschaft schwierig hat und die Leute machen sich auch Sorgen um den Arbeitsplatz. Das heisst, was Vorarlberg braucht, ist ein Wirtschaftsaufschwung, ansonsten ist auch eine Budgetkonsolidierung schwer zu schaffen“, so Wallner abschliessend, wie der ORF Vorarlberg heute mitteilte.